Anlässlich der Bombardierung Magdeburgs zum Ende des Zweiten Weltkriegs marschierten zahlreiche Nazis – wie in jedem Jahr – ohne Einschränkungen der Polizei und Stadtverwaltung durch Magdeburg. Der Gegenprotest wurde bewusst kriminalisiert. Hundertschaften der Polizei schlugen Demonstrierende krankenhausreif und behinderten die Pressearbeit. Auch die antifaschistische Vorabend-Demo hatte mit zahlreicher Repression zu kämpfen.
Begonnen hat der antifaschistische Protest gegen das faschistische Gedenken an die Zerstörung Magdeburgs bereits am 15. Januar. Ein breites Bündnis antifaschistischer Gruppen rief unter dem Motto „Pappesatt“ zur Demo durch Magdeburg auf. Die Repressionsbehörden hatten kurz zuvor die Demo – unter dem Vorwand der Corona-Pandemie – verboten und nur eine stationäre Kundgebung zugelassen. Auch eine Eilklage, die das Bündnis vor dem Verwaltungsgericht erhob, wurde zurückgewiesen. Die Polizei tat derweil alles, um die Kundgebung und ihre Forderungen zu kriminalisieren.
Hundertschaften aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen sowie der Bundespolizei fuhren ein Großaufgebot auf. Über 50 Einsatzfahrzeuge begleiteten den friedlichen Protest und spiegelten ein martialisches Abbild staatlicher Gewalt wider. Spontane Spaziergänge der Antifaschist*innen wurden durch die Polizei – ganz im Gegensatz zu rechten Querdenker*innen-Aufmärschen – früh gestoppt.
Am Aufmarsch-Tag der Faschist*innen, dem 16. Januar, zeichnete in der Innenstadt Magdeburgs das gleiche Polizeiaufgebot ab. Antisemitischen Gesänge durch die Nazis, wie bspw. das U-Bahn-Lied, ließ die Polizei gewähren. Zeitgleich die Nazis vom Hauptbahnhof zum Alten Markt und zurück frei marschieren durften, kam es am Rande des Nazi-Aufmarsches stattdessen zu zahlreichen Übergriffen der Polizei gegen Antifaschist*innen. Am City Carre wurde ein Protestler zu Boden gedrückt und mit dem Knie im Nacken fixiert.
In der Jakobstraße wurde ein minderjähriger Demonstrant von Polizeieinheiten gejagt und gestoßen. Vor einem Wohnhaus wurde er von Polizist*innen so sehr mit dem Kopf gegen die Hauswand geschleudert, dass die Fassandenteile vom Haus abfielen. Der Demonstrant wurde daraufhin minutenlang auf den eiskalten Boden gedrückt. Seine Verletzungen – Plartzwunden an Knie und beiden Augen – wurden erst nach einer halben Stunde von ehrenamtlichen Demo-Sanitäter*innen behandelt.
Katja Michels von der Roten Hilfe Magdeburg kommentiert: „Der Polizeieinsatz war ein reiner Skandal, der aber angesichts der vielen faschistischen Aufmärsche der letzten Jahre nicht mehr verwundert. Wie immer hat die Polizei bewiesen, dass sie mit Nazis gut kooperieren kann und zeitgleich mit äußerster Gewalt gegen Antifaschist*innen vorgeht. Es zeigt deutlich, dass die antisemitische und rassisistische Ideologie der Nazis in Großtenteilen für Polizist*innen anschlussfähig ist. Daneben zeigt das derzeitige Handeln des neuen Innenministers Richter, dass er die aggressive Linie seiner eigenen Beamt*innen schützt und damit jegliche Auseinandersetzung, wie das Verhindern einer Aufklärung der antisemitischen Vorfälle in der Bereitschaftspolizei, verhindert.“
Journalist*innen und Beobachter*innen wurden zudem an Polizeiketten gestoppt und nicht ernst genommen. Während die Polizei von einem friedlichen Geschehen redet, haben wir zahlreiche Übergriffe der Polizei aufgenommen.
Die Rote Hilfe befürchtet, dass die Polizei die Kriminalisierung des Demo-Geschehens auch im Nachgang noch weiter vorantreiben wird. Es gilt: Redet mit uns, nicht mit der Polizei! Wir helfen euch – schreibt uns, wenn ihr Briefe von Polizei, Ordnungsamt oder Staatsanwaltschaften erhaltet.