Seit dem 7.10.2023 beobachten wir insbesondere in Deutschland eine Welle der Repression gegen die palästina-solidarische Bewegung. Die Kriminalisierung verschiedener Protestformen gegen Krieg und Besatzung begann auch hier mit willkürlichen Versammlungsverboten durch die Polizeiinspektion Magdeburg und setzt sich nun in der Verfolgung vermeintlicher Versammlungsteilnehmer:innen fort.
Viele von Politik und Medien geforderte restriktiven Maßnahmen wurden im letzten Jahr weiter forciert und umgesetzt. Zugleich wird weiterhin jede Kritik an der israelischen Regierung und die Solidarität mit der von Krieg betroffenen Bevölkerung mit Antisemitismus gleichgesetzt. Jegliche friedenspolitische Forderungen im Palästinakontext sollten in den ersten Wochen und Monaten nach dem 7. Oktober 2023 unterdrückt werden. Dies war bundesweit festzustellen und ließ sich ebenso in Magdeburg beobachten worüber wir folgend einen Überblick geben wollen:
- Mindestens 5 Kundgebungen linker Organisationen mit Palästinabezug wurden im Oktober 2023 von der Magdeburger Polizeiinspektion (Versammlungsbehörde) willkürlich verboten
- Selbst Versammlungen mit einem völlig anderen inhaltlichen Thema wurden von der Polizei belagert und bedroht, jegliche Solidaritätsbekundung mit Palästina zu unterlassen.
- Eine Anmelderin einer Kundgebung wurde von den Behörden soweit unter Druck gesetzt sodass sie ihre Anmeldung zurückzog
- Ende Oktober 2023 kündigte die Versammlungsbehörde an, jegliche Anmeldung – unabhängig vom Motto oder Anmelder/in – im Kontext des Krieges auch zukünftig weiter verbieten zu wollen.
- Um gegen diese willkürlichen Einschränkungen zu protestieren versammelte sich dennoch am 27.10.2024 eine Kundgebung unter dem Motto „Grundrechte schützen – Menschenrechte wahren“ auf dem Wilhelmstädter Platz in Stadtfeld. Die Versammlungsteilnehmer/innen trugen Transparente und Schilder bei sich mit friedenspolitischen Forderungen wie z.B. „Für eine sofortige ,humanitäre Waffenruhe in Pälastina“, „Brecht das Schweigen zu Krieg und Besatzung“ oder „Grundrechte verteidigen – Menschenrechte“ wahren. Dies nahm ein Großaufgebot der Polizei zum Anlass den Platz abzusperren und alle Anwesenden einer Personenfeststellung zu unterziehen.
- Nach erfolgreichen Klagen vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg und dem Oberverwaltungsgericht Sachsen Anhalt konnte am 10.11.2023 die erste Kundgebung unter dem Motto „Für eine humanitäre Waffenruhe in Palästina“ unter restriktiven Auflagen stattfinden.
- Es folgten weitere Kundgebungen und Demonstrationen welche wiederholt mit einem großen Polizeiaufgebot begleitet wurden. Trotz dem stets störungsfreien Verlauf suchten sich Polizeieinheiten gezielt einzelne Menschen heraus um sie zu kontrollieren und zu kriminalisieren. Mal führte ein Pappschild mit der Aufschrift „Free Palestine“ zu einer Anzeige wegen Tragens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ein anderes Mal wurde das Ausrufen der Parole „Frieden und Freiheit für Palästina“ mit einer Ordnungswidrigkeit begegnet.
Nach den verschiedenen Eingriffen und Einschränkungen auf die Versammlungsfreiheit durch die Polizeiinspektion Magdeburg, scheint die Behörde ihre repressive Praxis weiter fortzusetzen. Viele Monate danach flattern bei zahlreich vermeintlichen Versammlungsteilnehmer/innen Post ins Haus. So landeten diverse Anzeigen, Anhörungsbögen, Bußgeldbescheide oder Strafbefehle in den Briefkästen jener Menschen, welche sich gegen Krieg und Besatzung engagierten.
Mit Bezug auf die von der Polizei aufgelösten Kundgebung am 27.10.2024 in Stadtfeld wurden in den letzten Tagen etliche Bußgeldbescheide verschickt. Dem Anmelder sollte am 12.09.24 der Prozess gemacht werden, welcher jedoch kurzfristig abgeblasen wurde. Diese Kundgebung sei damals dahingehend beschränkt, dass sämtliche Kundgebungsmittel mit „pro-palästinensichen bzw. antiisraelischen Bezug“, von der Polizei untersagt wurden. Die Betroffenen sollen dagegen verstoßen haben und nun ein Bußgeld zahlen. Das dieses pauschale Vorgehen rechtswidrig ist hat bereits das Oberverwaltungsgericht Sachsen Anhalt im November 2023 festgestellt:
„Es ist festzuhalten, dass die Schlagwörter propalästinensisch und antiisraelisch für sich genommen nichts dafür hergeben, dass eine Versammlung beschränkt werden kann. So ist sachliche Kritik auch am Handeln von Vertretern des Staates Israel von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt. (…) Allein der Umstand, dass aus der Versammlungsanmeldung eine kritische Einstellung gegenüber der Kriegsführung geäußert wird, führt somit nicht zu der Annahme, es würden strafrechtlich relevante Äußerungen erfolgen.“
Ein Anwalt eines Betroffenen beschreibt es so: „Es erscheint vor diesem Hintergrund als geradezu eklatanter Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, dass allen Ernstes die Äußerung „Frieden und Freiheit für Palästina“ und das Tragen von gewöhnlichen Kundgebungsmitteln den Kundgebungsteilnehmer/innen zur Last gelegt werden. Die weitere Verfolgung von verfassungsmäßig, geschützten Meinungsäußerungen, auffälligerweise mehr als ein Dreivierteljahr nach der betreffenden Versammlung und in voraussetzender Kenntnis der vorgenannten gerichtlichen Entscheidungen, verletzt die vermeintlichen Kundgebungsteilnehmer/innen in ihren Grundrechten. Es ist dringend angezeigt, aus den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Magdeburg und des Oberverwaltungsgericht Sachsen- Anhalt nunmehr die naheliegenden Konsequenzen zu ziehen und die Bußgeldverfahren einzustellen.“
Diesem wollen wir uns anschließen und erweitern: Wir fordern die Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit den palästinasolidarischen Protesten in Magdeburg! Wir fordern ebenso ein umfassende politische und juristische Aufarbeitung der willkürlichen Versammlungsverbote!
Dem Verfolgungseifer der staatlichen Behörden werden wir nicht stillschweigend zu schauen. Wir werden uns weiter solidarisch verhalten mit denjenigen die von Polizei und staatlichen Behörden drangsaliert und kriminalisiert werden – insbesondere im Kontext der Palästinasolidarität.