Am vergangenen Donnerstag, den 21.11.2024, haben deutsche Behörden vier kurdische Aktivisten an einem Tag festgenommen. Den Betroffenen wird eine Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen, weshalb die Behörden wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ nach §§ 129a, 129b StGB gegen sie ermitteln. Die Ermittlungsverfahren werden von unterschiedlichen Staatsanwaltschaften geführt und die Haftbefehle wurden von Ermittlungsrichtern an unterschiedlichen Gerichten erlassen, sodass es besonders ungewöhnlich ist, dass gleich vier Festnahmen an einem Tag erfolgten.
Mehmet Karaca wurde aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshofs (BGH) in Berlin festgenommen. Ihm wirft die Bundesanwaltschaft (BAW) vor, als „hauptamtlicher Kader“ der PKK zwischen Oktober 2014 und Juni 2015 den Sektor „Süd 2“ und das Gebiet „Stuttgart“, im Anschluss bis Ende 2015 das Gebiet „Köln“ sowie seit Juni 2024 neben dem Gebiet und der Region „Berlin“ auch den Sektor „Nord“ mit den Regionen „Hamburg“, „Berlin“ und „Niedersachsen“ geleitet zu haben. Auffällig ist, dass zwischen den beiden zur Last gelegten Zeiträumen neuen Jahre liegen, in denen ihm nichts vorgeworfen wird. Nach Auffassung der BAW habe er „typische Leitungsaufgaben“ wahrgenommen, wozu sie die Koordination von organisatorischen, personellen und öffentlichkeitswirksamen Angelegenheiten der Vereinigung, die Planung und Durchführung von Veranstaltungen und Versammlungen, das Sammeln von Spenden, das Erteilen von Anweisungen und die Kontrolle derer Ausführung sowie das Erstatten und Einholen von Berichten zählt. Individuelle Straftaten, die bereits an sich, ohne einen Bezug zur PKK, strafbar wären, werden ihm nicht vorgeworfen.
Nach der Eröffnung des Haftbefehls am gestrigen Freitag setzte der Ermittlungsrichter am BGH diesen in Vollzug, woraufhin Mehmet Karaca in die JVA Moabit in Berlin in Untersuchungshaft verbracht wurde. Ebenfalls am Donnerstag wurde Alaaddin Altan aufgrund eines Haftbefehls des Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in Bremen festgenommen. Zum Zwecke seiner Festnahme wurde auch das Gesellschaftszentrum der Kurd:innen in Bremen durchsucht. Dort fand erst im vergangenen Januar eine Hausdurchsuchung statt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz wirft ihm vor, sich als Mitglied der PKK betätigt und dadurch nach §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht zu haben.
Derzeit geht der Rechtshilfefonds AZADÎ davon aus, dass Alaaddin Altanbereits dem Ermittlungsrichter am OLG Koblenz vorgeführt und ebenfalls in Untersuchungshaft genommen wurde.
Des Weiteren wurden zwei Kurden, die in Magdeburg leben und denen die Behörden ebenfalls eine Mitgliedschaft in der PKK vorwerfen, festgenommen. Über den Vollzug der gegen sie ausgestellten Haftbefehle wurde zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entschieden. Sollten alle vier Betroffenen in Untersuchungshaft genommen werden, würden mit ihnen insgesamt 18 Kurden wegen des Vorwurfs, Mitglied in der PKK zu sein, in deutschen Gefängnisse in Untersuchungs- oder Strafhaft sein. Damit würde die bundesdeutsche Justiz ihren rigorosen Kurs der Repression gegen die kurdischen Bewegung fortsetzen.
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte Oktober zu Besuch bei Präsident Tayyip Erdoğan war und die Bundesregierung ihre Blockade gegen die Lieferung von Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter an die Türkei aufgab sowie umfangreiche Waffenlieferungen bewilligte, werden die in den letzten Jahren zur Schau gestellten Verstimmungen zwischen den beiden Regierungen unter den Teppich gekehrt. Damit kehren die Bündnispartnerinnen BRD und Türkei auch offiziell zur alten Waffenbrüderschaft zurück, um ihre rein interessengeleitete Politik fortzusetzen.
Während in der türkischen Innenpolitik einerseits neue Friedensgespräche zwischen Regierung und PKK-Gründer Abdullah Öcalan diskutiert werden, lässt das Regime erneut demokratisch gewählte Bürgermeister:innen in kurdischen Städten absetzen und die kurdischen Gebiete in Nordsyrien und dem Nordirak bombardieren. Mit den jüngsten Festnahmen vom 21.11.2024 unterstreicht die bundesdeutsche Justiz ein weiteres Mal, auf wessen Seite sie im Kurdistan-Konflikt steht.